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Neutral-Moresnet


Neutral-Moresnet


Neutral-Moresnet: Ministaat vom Reißbrett

Kleines Land, aber die Lebensqualität stimmte.
Nach den Niederlagen Napoleons 1813 und 1814 beschlossen die Alliierten eine Neuordnung Europas, die besonders die Zuteilung des nördlichen Teils des französischen Reiches an die Niederlande und Preußen vorsah. Bei der Festlegung der Grenzen zwischen diesen beiden Staaten wurden die damals für die Messingherstellung sehr bedeutenden Galmeivorkommen im Altenberg auf dem Gebiet von Kelmis (La Calamine) zu einem Streitfall, der für lange Jahre einer ungewöhnlichen Lösung zugeführt wurde: Man etablierte ein Territorium, dass einer gemeinsamen Verwaltung unterstand, also „neutralisiert“ wurde – daher die spätere Bezeichnung Neutral-Moresnet.

Das lediglich 350 Hektar große Gebiet reichte in einem fast tortenstückförmigen Grundriss vom heutigen Dreiländerpunkt bis zur Lütticher Straße. Die schnurgeraden Grenzlinien zeigten, dass man sich am Reißbrett arrangiert hatte. Sowohl der westliche als auch der östliche Teil der Gemeinde Moresnet blieben von der Vereinbarung ausgespart.

Schnapsschmuggel: Im Jahre 1816 lebten hier lediglich 256 Einwohner, aber mit der Entwicklung der Zinkgrube (seit 1837: „Société des Mines et Fonderies de Zinc de la Vieille Montagne“) und des damit verbundenen ökonomischen Aufschwungs nahm diese Zahl rasch zu. 1830 wurden 500 Einwohner gezählt, 1858 waren es bereits 2.572. Den Einwohnern von Neutral-Moresnet war es erlaubt, Getränke zu brennen – wenn auch nur für den eigenen Verbrauch. Allerdings wurden so große Mengen produziert, dass sie selbst in den bis zu 70 Cafés und Lokalen des Gebietes nicht konsumiert werden konnten: Beträchtliche Mengen wurden über die Grenze, meist in die Niederlande, geschmuggelt.

Ein weiteres Kuriosum: Die Anhänger dieser internationalen Plansprache wollten zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus Neutral-Moresnet einen Esperanto-Staat machen. Bei einer Tagung des Esperanto-Weltbundes wurde Moresnet zum Hauptsitz der Bewegung ausgerufen. Einem Bericht der Aachener Post zufolge waren die Bewohner Neutral-Moresnets begeisterte Esperantisten: „Die Kurse zur Erlernung der Sprache waren überfüllt und überall hörte man nur noch Esperanto radebrechen; die Gastwirte des Ortes taten ein übriges und firmierten in der neuen Landessprache.“

Der Galmeibergbau in der Grube Altenberg endete 1895. Zwei Jahre später reichten die Bewohner von Neutral-Moresnet eine Bittschrift ein, um im Falle des Endes der Unabhängigkeit an Belgien angeschlossen zu werden. Im Ersten Weltkrieg wurde das Gebiet wie Belgien von Deutschland besetzt und im Vertrag von Versailles 1919 in das belgische Königreich eingegliedert.

Grenze Neutral-Moresnet